3. Mobbing in der Schule
3.1 Die besondere Situation in der Schule
Untersuchungen zu Mobbing im Lehrerberuf
sind laut Dick (1999, 103) aufgrund der relativen Neuheit
des Konzepts noch dünn.
Kasper ist einer der Autoren, die sich
mit Mobbing gegen Lehrerinnen und Lehrer und Mobbing im Schulbereich
beschäftigen (Kasper 1997 a, 1997 b, 1998, 2. Aufl.).
Zu den Personen in diesem Bereich gehören
ebenso
- die Schüler/-innen,
- Schulleiter/-innen,
- Eltern,
- Schulaufsicht,
- Personalrat,
- Schulsekretärin,
- Hausmeister und evt.
- weitere Beschäftigte.
Kasper (1998, 2. Aufl., 68) erläutert,
daß Schulen als Nonprofitunternehmen sich von Betrieben
in der Wirtschaft durch besondere Strukturen unterscheiden.
Dies betrifft die Bestellung des Schulleiters auf Lebenszeit,
aber auch die faktische Gleichheit des Personals von den Ausbildungs-
Beschäftigungs- und Besoldungsmerkmalen her. An Gymnasien,
Berufs- und Sonderschulen gibt es davon Ausnahmen.
Eine weitere Besonderheit ist auch, daß
es Mobbing zwischen Beschäftigten und „Kundschaft“
gibt: Eltern und Schüler können wie Lehrer/-innen
und Schulleiter Betroffene und Handelnde sein. Daneben gibt
es durch die Ferien völlige Betriebsschließungen,
was sich von der Zeitstruktur von Betrieben unterscheidet.
In den Schulen sind es in einem unverhältnismäßigen
Umfang die Schulleiter, von denen Mobbing (Bossing) ausgeht,
zumindest sind sie fast immer daran beteiligt. Männer
und Frauen waren entsprechend ihrem Anteil an den Beschäftigten
gleich häufig von Mobbing betroffen.
Wie Kasper weiter aufzeigt, mißbrauchten
in vielen Fällen Schulleiter ihre Macht und wurden darin
von der Schulaufsicht unterstützt. Die Opfer hofften
dann oft vergebens auf Hilfe und Fürsorge durch die Behörden.
Auch tribalistische Strukturen (engl. tribe = Stamm)
in manchen Kollegien und verkrustete Organisationsstrukturen
begünstigen Mobbing ganz offensichtlich. An Schulen,
an denen Mobbing geschieht, herrscht in der Regel eine allgemeine
Reformfeindlichkeit und mangelnde Lernbereitschaft der Kollegien.
Wo Eltern Mobbing gegen Lehrer/-innen betrieben, taten sie
dies in der Regel mit Unterstützung oder Billigung durch
die Schulleitung (in 96% der 75 von Kasper untersuchten Fallbeispielen
stellen Schulleiter meist gemeinsam mit Kollegen oder Eltern
die Täter dar). Zwischen Eltern und Schule gibt es einige
systembedingte Interessenkonflikte, welche leicht zum „Background“
für Mobbing werden können.
Das Risiko von Lehrerinnen, Mobbing
von Schülern gegen sich zu erleben, ist besonders groß
an Schulen mit strengen Regeln und sehr autoritären Lehrern.
Schüler suchen sich den „schwächsten Punkt“
als Ziel ihrer Rache am System aus.
3.2 Tatbestände von Mobbing in der Schule
Kasper (ebd., 59-64) zählt eine Reihe
von Mobbinghandlungen in der Schule auf (Kasper gebraucht
weibliche und männliche Formen wie z.B. Lehrer oder Lehrerin
wechselweise).
Aktionen bei verschiedenen personellen Konstellationen
Die Notengebung des Lehrers wird (zu Unrecht) angegriffen.
„Bündnisse“ gegen einen, der zum „Schwarzen
Schaf“ erkoren wird, so daß es zur
Situation alle gegen einen
kommt. Dabei können die unterschiedlichsten
Konstellationen entstehen:
Lehrer und Eltern, Schulleiter und Lehrer, Schüler und
Lehrer, Schulleiter und Schulbehörde,
Eltern und Schulbehörde, Personalrat und
Schulbehörde, Gewerkschaftsgruppe
an der Schule usw.
Verleumdung, Ausstreuen von Gerüchten
Verhandlung in Abwesenheit der Betroffenen
Herabsetzende Äußerungen bis hin zur Beschimpfung
und Beleidigung (z. B. gegen
Frauen, Mädchen, Leistungsschwache,
Behinderte, Ausländer usw.)
Politische Diskriminierung von kritischen und engagierten
Lehrern/Lehrerinnen und
Schulleitern/Schulleiterinnen
Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
„Schneiden“, Isolierung, offensichtliche Nichtachtung
Besuch bei dessen Freunden, um diese gegen das Opfer aufzubringen
Schikanen durch Kollegen
Diskriminierung aktiver Gewerkschafter und Personalräte
Ein Club von „guten Freunden“ geht gegen Einzelne
vor (weil sie „zu fleißig“ sind,
ihren Beruf ernst nehmen, zu
sehr den Schülern helfen, angeblich den Frieden
stören).
Gemeinschaftlicher Kampf mit Nadelstichen gegen besonders
engagierte
Kolleginnen, bis diese „realistischer“
geworden sind
Unterstellung einer Unterschlagung, eines Diebstahls oder
anderer krimineller
Handlungen
Diskriminierung besonders beliebter oder geachteter Lehrer
bei den Schülern
Vorwurf mangelnder Solidarität, falls sich ein Lehrer
für Belange und Rechte der
Schüler einsetzt
Herabsetzung der Arbeit älterer Kollegen
Drohung mit Isolierung im Kollegium
Fachliche Disqualifikation und Diskriminierung junger Kolleginnen
Verweigerung einer Vertretung (für die leiste ich keinen
Vertretungsunterricht)
Herabsetzung besonderer Leistungen (Theateraufführungen,
Konzerte usw. unter
der Leitung des Betroffenen)
im Kollegium oder gar in der Öffentlichkeit
Denunziation beim Rektor oder bei der Schulaufsicht
Schmähkritik vor Dritten (Kollegen, Schüler, Eltern)
Wegnehmen von persönlichem Eigentum
Resolution des Kollegiums per Unterschriftensammlung an die
Personalbehörde,
um einen Kollegen loszuwerden
Kollektive Krankmeldung von Lehrern wegen eines Lehrers
Körperliche Gewaltanwendung
Sexuelle Belästigung und Handgreiflichkeiten
Störung privater Kontakte
Telefonterror
„Warnung“ guter Freunde vor dem (angeblich bösen)
Opfer
Aktionen durch Vorgesetzte (Schulleiter, Schulverwaltung)
Nicht jede Maßnahme gegen den Wunsch
eines Kollegen ist Mobbing. Bei Mobbing durch den Schulleiter
mischt sich das dienstlich Notwendige mit der Schikane.
Unberechtigter Vorwurf eines Dienstversäumnisses
Vorwurf der Störung des Betriebsfriedens
Schikanöse, kleinliche Kontrollen gegen einen oder einzelne
Lehrer
Willkürliche Entziehung von Aufgaben
Eine Lehrerin erhält keinen richtigen Lehrauftrag
Für eine öfter erkrankte Lehrerin gibt es an der
Schule plötzlich „keine Stunden“
mehr
Einer Lehrerin wird mitten im Jahr die Klasse weggenommen.
Sie erhält den
Auftrag, Lehrmittel- und andere
Zimmer, in zwei Fällen gar eine Garage
„aufzuräumen“.
Maßnahmen mit dem Versuch der Verdrängung älterer
Lehrer
Verstoß gegen die Fürsorgepflicht (für betroffene
Lehrer oder Schulleiter)
An den Pranger stellen (in Konferenzen oder Gesprächen
einen Lehrer vor allen
anderen bloßstellen)
Aufhetzen der anderen Kollegen gegen einen
Verspätete Zustellung einer Gehaltserhöhung (im
Vergleich zu anderen gleichzeitig
Begünstigten)
Schulaufsichtsbeamter duldet beleidigende verbale Angriffe
gegen einen
Teilnehmer einer Konferenz
(Dulden ohne ablehnende Stellungnahme kommt der
Billigung gleich)
Drohung mit (nicht genau bezeichneten) „Konsequenzen“
Antrag auf Versetzung eines Lehrers an eine andere Schule
Willkürliche Zurückweisung dienstlicher Arbeiten
(wegen angeblicher Fehler oder
gar ohne Begründung)
Existentielle Bedrohung von Berufsanfängern (Drohung
mit schlechter Beurteilung
ohne jeden Grund; Ablehnung
jeglicher Neuerung und neuartiger
Unterrichtsgestaltung)
Beschränkung der pädagogischen Freiheit des einzelnen
Lehrers
Willkürliche Anweisungen, die den normalen Handlungsrahmen
des Lehrers
einschränken bis hin zum
Verbot des Kontaktes mit Eltern oder Kollegen
Anordnung psychiatrischer Untersuchungen gegen kritische Kollegen
Zweifel an der beruflichen Qualifikation des Lehrers erheben
Willkürliche Hinauszögerung der planmäßigen
Anstellung
Drohung mit, Einleitung von disziplinarischen Vorermittlungen
Diskriminierung und Isolierung besonders engagierter Lehrer
Unangemeldete Unterrichtsbesuche und sonstige Arbeitskontrollen
Hinauszögerung der Bearbeitung von Anträgen (Urlaub,
außerunterrichtliche
Veranstaltungen usw.) bis kurz
vor dem Termin
Verweigerung von tariflich zustehendem oder gesetzlich geregeltem
Urlaub aus
„dienstlichen Gründen“
Bewußte Verzögerung der Bearbeitung von (diesen
wichtigen) Anliegen der Lehrer
Ignorieren berechtigter Beschwerden und Verweigerung des Schutzes
vor
Übergriffen
Demonstratives Ignorieren der Arbeit und der Ergebnisse dieser
Arbeit
Verweigerung der erforderlichen Arbeitsmittel (eine Musiklehrerin
darf z.B. nicht an
den Instrumentenschrank)
Anordnen von „Kontaktverboten“ zu den Opfern („Nestbeschmutzer“,
„Unruhestifter“
usw.)
Aktionen gegen gewählte Personalräte
oder bekannte Gewerkschafter
Vorwurf der Störung des Betriebsfriedens
Drohung mit Versetzung oder mit der Anordnung einer psychiatrischen
Untersuchung
Vorwurf des politischen Extremismus
Beschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
Unberechtigter Vorwurf der Vernachlässigung der dienstlichen
Pflichten
Aktionen durch Personalrat und/oder Gewerkschaft
Verweigerung der Vertretung oder Unterstützung eines
Kollegen mit den
Begründungen: „Das
ist kein Mobbing!“ „Es sind andere Mitglieder
in den Konflikt
verwickelt.“
Verweigerung des Rechtsschutzes
Unterstellung querulatorischer Haltung
Offene oder verdeckte Solidarisierung mit Mobbern
Dem Opfer keinen Glauben schenken (die ist irgendwie selbst
schuld)
Aktionen von Lehrern gegen den Schulleiter
Verweigern (Ignorieren) von dienstlichen Weisungen
Beleidigendes, die Autorität untergrabendes Auftreten
vor Zeugen
Aktionen Schüler gegen Lehrer
Ungerechtfertigte Unterstellung einer Tätlichkeit
Ungerechtfertigte Unterstellung sexueller Äußerungen
oder Handlungen
Ungerechtfertigter Vorwurf der ungerechten oder willkürlichen
Notengebung
Aktionen Lehrer gegen Schüler
Schläge und andere Formen der körperlichen Züchtigung
Drohung mit weitreichenden Strafen („Ich sitze am längeren
Hebel“)
Willkürliche Notengebung
Ungerechtfertigte oder entwürdigende Bestrafung
Systematische (oder gewohnheitsmäßige) Herabsetzung
einzelner Schüler in
Worten und Taten
Herabsetzung des Ansehens der Familie oder der Eltern eines
Kindes
Verletzung des Selbstwertgefühls durch herabsetzende
Äußerungen über das Kind
(Zweifel am Verstand, der Begabung,
verbale Beleidigung mit Schimpfwörtern
usw.)
Aktionen durch Eltern
Unterstellung körperlicher Gewaltanwendung gegen ein
oder mehrere Kinder
Unterstellung sexueller Motivation bei der Auswahl von Unterrichtsinhalten
Unterstellung bzw. Vorwurf der sexuellen oder sexuell motivierten
Handlung eines
Lehrers gegen ein Kind
Autoritäres Auftreten, Machtgehabe und Drohungen gegen
Lehrer oder Schulleiter
Öffentliche Angriffe (Zeitungsberichte) wegen schulinterner
Konflikte
Drohung mit, Organisation von einem Schulstreik
Streikhandlungen aus Protest gegen einen einzelnen Lehrer
Anzeige gegen eine Lehrerin aus nichtigem Anlaß
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